Meine Damen und Herren, liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger,

wir begehen heute den Volkstrauertag. Das bedeutet, wir gedenken der Kriegstoten und der Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen.

Dabei drängt sich mir die Frage auf: Lernt der Mensch überhaupt etwas aus der Geschichte? Diese Frage scheint mir angesichts der traurigen Tatsache, dass Krieg und Gewalt konstante Größen im Wandel der Zeit sind, berechtigt zu sein.Aber weshalb tun wir das?Wäre es nicht einfach besser, die Vergangenheit ruhen zu lassen und sich auf die Zukunft zu konzentrieren? Wurde nicht ohnehin schon alles über diese Vergangenheit gesagt?

Haben wir nicht schon genug mit dem Hier und Jetzt zu tun?

Meine Antwort darauf ist: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind in ihrer Entwicklung aufeinander bezogen. Das eine ist ohne das andere nicht möglich. Wer sich wirklich auf die Bilder, die der Krieg gezeichnet hat, einlässt, wird und muss sich die Frage stellen: Welche Form geben wir unserem Zusammenleben in einer globalisierten Gesellschaft und wollen wir diesem zukünftig geben, damit solche Bilder nicht wieder und wieder Wirklichkeit werden?

An dieser Stelle kommt die Art von Erinnerung ins Spiel, aus der wir Kraft schöpfen, um diese Welt ein Stückchen besser zu gestalten. Wenn wir miteinander feiern, fühlen wir uns lebendig. Wir sind einander zugewandt.

In solchen Momenten spüren wir Freude, Leichtigkeit, Getragensein und Vertrauen. Und wir spüren und wissen in solchen Momenten, was wirklich wichtig ist. Indem wir uns einem anderen Menschen zuwenden, entzünden wir ein Licht in dunklen Zeiten.Wir entzünden es mit so scheinbar kleinen Handlungen, wie einem Lächeln, einem Händedruck oder aufmerksamem  Zuhören. Es können größere Handlungen sein, wie Krankenhausbesuche und Nachbarschaftshilfe.

Viele Menschen engagieren sich auch in Hochspeyer ehrenamtlich. „Das Leben entflieht schnell. Nicht eine Sekunde kehrt zurück. Bemühen wir uns, möglichst viele Beweise der Liebe zu geben.“ Diese Worte stammen von Pater Maximilian Kolbe. Der Franziskaner-Minorit wurde im Dritten Reich wegen Hilfeleistungen für Flüchtlinge ins KZ Auschwitz verschleppt und ging dort freiwillig in den Tod. Er rettete so einem Mithäftling, der Familienvater war, das Leben. Kolbe hat ein Zeichen dafür gesetzt, dass Hass und Gewalt nicht das letzte Wort haben. Zahlreiche Institutionen gründen ihre Tätigkeit auf sein Werk und schöpfen aus der Erinnerung an diesen großartigen Mann Kraft. Sie weiß sich den Opfern von Unrecht und Gewalt besonders verpflichtet.Bliebe also als Antwort auf die eingangs gestellte Frage demnach nur ein „Nein“, die Menschheit hat nichts aus der Geschichte gelernt?

Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger,

Ich denke, soviel Skepsis ist dann doch nicht angebracht. Denn, es bewegt sich was.

Die meisten Menschen haben gelernt, sich für den Frieden und für den Nächsten auf dieser Welt zu engagieren. Verdrängt nicht! Vergesst nicht! Handelt! Das sind Devisen, aus denen sich solches Engagement speist und für die es viele beeindruckende Beispiele gibt. Wir, als vom Weltgeschehen Betroffene, sind aufgerufen, etwas zu tun.

 „Und was kann ich als Einzelner bewirken?“, könnten Sie jetzt fragen. Wie wäre es, den Blick auf die vielen Freiwilligendienste zu lenken, die Überlebende des Holocausts betreuen, ethnische Minderheiten und Flüchtlinge unterstützen, sich in Umweltprojekten engagieren oder auch Bildungsarbeit leisten.

Gerade die persönliche Mitwirkung setzt ein Zeichen. Und wenn viele Einzelne handeln, bewirken sie gemeinsam ein großes Ganzes. Seien wir großzügig im verträglichen Miteinander, denn „Geiz“ ist eben nicht „geil“. Immer dann, wenn ich von schrecklichen Nachrichten über Terroranschläge erschüttert werde und fassungslos bin, konzentriere ich mich bewusst auf das, was Menschen leisten, um Gutes und damit Hoffnung in diese Welt zu tragen. Das gibt mir dann wieder Mut in diesen Zeiten der Angst, der Unsicherheit und der Orientierungslosigkeit. Es gibt mir den Mut, darauf zu vertrauen, dass unsere demokratische Grundordnung weiterhin Bestand haben wird, weil nach wie vor entsprechende Werte gelebt werden.